Ventosa – Najera – Cirinuela

28.01.2007 14:30

 Ventoa – Najera – Cirinuela

Der 2. Tag. Wir standen früh auf, packten unserer Sachen und schon ging es los. Ich war frohen Mutes, weil die Füße nicht mehr schmerzten. Die Sonne schien, das Wetter war hervorragend, und von dem Punkt aus ging es nur ein kurzes Stück bergauf und dann ein längeres bergab. So war zumindest meine Hoffnung. Ich hoffte auch,  dass wir bis Santo Domingo de la Calzada kommen würden. Aber das war wohl ein Irrtum, wie sich später zeigen sollte.

Wir gingen also los. Hätte gerade fast "marschierten" geschrieben, aber das trifft in keiner Weise zu, ist aber wohl ne Floskel, die man sich im Laufe seiner Kindheit für sowas zugelegt hat.

Wir gingen also los. Die Sonne hatte sich gerade so über die Bergrücken erhoben und die Luft war angenehm kühl. Es schlängelte sich ein kleiner Feldweg den leichten Hang hinauf. Die Straße, die wir gestern abseits gelassen hatten, näherte sich wieder.

Wir kamen an ein Feld mit kleinen Steinpyramiden. Als Pilger sollte man Steine ablegen, die man von daheim mitgenommen hat. Mir mangelte es nur an Steinen, der Rucksack war eh schon recht schwer. 

Steinpyramiden bei Ventosa

Es ging weiter bergauf. Ich war gut zu Fuss. Allerdings machten mir die Kamera, die ich vor mir trug, etwas zu schaffen. Die Wanderstöcke erwiesen sich als recht hilfreich. Es war doch schon recht steinig und ich habe üblicherweise ein gewisses Talent, bei solchen Gelegenheiten umzuknicken.

Man lief durch Weinreben auf schmalen Wegen immer weiter bergauf. Oben angekommen bot sich ein wunderschönes Panorama. Die Weite (aus Pilgersicht vielleicht nicht unbedingt positiv besetzt) und die Farben entschädigten für jede Anstrengung (wie es eigentlich noch sehr oft der Fall war).

Talblick aus Ventosa in Richtung Najera

 Die nächste Station war Najera. Sollte eigentlich kein Problem sein, es geht ja erstmal nur bergab. Immer mal wieder überholte uns ein Pilger (natürlich nicht so rasant, wie man das auf der Straße gewohnt ist) und da ich wegen dem Fotografieren auch nicht der schnellste war (wie sonst eigentlich auch nicht), hatte ich ab und zu ein recht großen Abstand zu den anderen.

Weg ins Tal bei Najera

Die Straße, die wir gestern verlassen hatten, näherte sich jetzt so stark, dass der Fahrzeuglärm zunahm. Außerdem kündigten unsere Begleiter in Buchform eine schwierige und gefährliche Querung an. Es wäre vielleicht auch notwendig gewesen, den Pilgern ein passendes Schild hinzustellen. Aber immerhin gab es ein Schild für die Autofahrer. Irgendwie hatten wir nur nicht das Gefühl, dass es so sonderlich wahrgenommen wurde. Besonders die kleinen Flitzer fahren auch in Spanien durchaus flott in der Gegend rum. Manchmal gibt es dann ein freundliches Huben und einen Gruß, in diesem Falle war das dann vermutlich aber ganz anders gemeint. Spanier sind sehr nett, aber beim Autofahren ist es wie überall. 🙂

Najera - gefährliche Straßenüberquerung

So langsam näherte sich Najera.

Najera

Najera ist eine wunderschöne Stadt, wir wurden gleich begrüßt von 2 Störchen, die man in dieser Gegend üblicherweise häufiger sieht. Allerdings ist es ein leicht riskantes Unterfangen auf den Bürgersteigen in die Stadt reinzulaufen. Bürgersteige sind sehr sehr schmal. Platz ist für maximal eine Person, meistens ist es schmaler.

Najera -  schmaler Fussweg

Nachdem man sich auf diesen engen Bürgersteigen aneinander und an diversen Autos vorbeigeschoben hatte, kam man an einen Fluss, der sich wie eine grüne Oase auftat. Es war zu dieser Zeit nicht direkt vergleichbar mit einer Wüste, aber Spanien ist in dieser Gegend wohl eher trocken. Es machte zumindest auf mich einen solchen Eindruck.

Najra - eine grüne Oase

Wir überquerten den Fluss und kamen nach ein paar verwinkelten Straßenzügen an der Kirche an. In den Städten ist die Ausschilderung mit den gelben Markierungen meist sehr gut, sonst würde man in so einem Fall wohl kaum den richtigen Weg durch die schönen verwinkelten Innenstädte finde.

Auf der Kirchturmspitze saßen auch wieder Störche, die vermutlich die gute Aussicht genossen. (Störche sind schon sehr schöne Tierchen:) ) Gleich daneben war ein großer Platz. In einem Cafe an diesem Platz entdeckten wir unseren Autopilger aus der letzten Herrberge, der uns aber offensichtlich nicht wiedererkannte. Vielleicht sah er auch nicht genau hin, sonst wäre ihm wohl unser Winken aufgefallen. Vielleicht war das aber auch nur wieder ein ganz spezieller Mensch, den wir da getroffen haben. Ich werde es wohl nie erfahren.

Najera - Kirchplatz

Wärend die anderen sich ausruhten, machte ich von der Gelegenheit Gebrauch, von etwas oberhalb ein paar Fotos zu schießen. Da meine bessere Hälfte ja bereits das zweite mal dieses Teilstück ablief, kam der Tip natürlich von ihr. Also bin ich etwas den Berg hochgelaufen und musste oben erstmal etwas verschnaufen.

Najera Panorama

Wenn ich gewusst hätte, das dieser Anstieg noch der kleinere war, hätte ich ein paar Minuten länger ausgeruht. Aber nein, unwissend wie ich bin, lief ich gleich zurück und wir machten uns wieder auf den Weg.

Es ist erstaunlich, wie gut sich so ein Berg verstecken kann. Wir wussten zwar aus den verschiedenen Quellen, dass es jetzt etwas bergauf geht, dass es aber so steil wird und sich so lange hinzieht. Ich war wirklich froh, als wir über den Berg waren. Ich war sehr erschöpft in diesem Moment und es kamen die ersten Zweifel auf, ob man das alles schaffen wird. Zum Glück war in der Ferne nicht gleich der nächste Berg zu sehen.

Im laufe der nächsten Kilometer wurde das mit der Erschöpfung nicht besser. Dazu kamen dann irgendwann so stechende Schmerzen in den Füßen, die auf die ersten Blasen hindeuteten. Das hätte eigentlich gar nicht passieren dürfen. Wir hatten uns gerade beim Thema Schuhen und Socken durchaus vorbereitet. Wir haben spezielle Wandersocken gekauft, Testberichte gelesen, sind Probe gelaufen. Nun waren sie da, die kleinen Blasen. Irgendwann gewöhnt man sich an den Schmerz.

Najera -  der Berg ist geschafft!

Es ging nun eine Weile ganz gut, allerdings hatte ich wohl falsche Annahmen über die noch vor uns liegende Strecke im Kopf. Es zog sich. Auf dieser Etappe gibt es zwischen Najera und Cirinuela nicht besonders viel. Es gibt zumindest keine Stadt oder Dorf. Es gibt keinen Trinkbrunnen, keine Bank. Alles was es gibt sind Felder.

Die Schmerzen werden größer und die Erschöpfung auch. Meine bessere Hälfte ist viel fitter als ich. Außerdem findet sie wohl, dass wir zu viel Jammern und beschließt irgendwann im Eiltempo den nächsten Anstieg zu nehmen. Für mich setze allerdings einfach nur entsprechender Galgenhumor ein. Ein Freund sagt immer: "Humor wird aus Schmerz geboren". Das hätte ich da auf alle Fälle unterschrieben.

Der Anstieg – die Niederlage

Vor uns tauchte der nächste größere Anstieg auf. Das sollte für diesen Tag dann zwar auch der letzte sein, aber es war zurückschauend der größte der ganzen Etappe. Mitten auf dem Weg sahen wir in der Ferne Alex (meine bessere Hälfte), wie sie schnurstracks den Berg erklom. Das war nun nicht besonders motivierend. Außerdem war ich bereits sehr erschöpft und die Füsse schmerzten unerträglich. Wir entschieden uns für eine Rast.

Ich weiß nicht mehr, ob das gut oder schlecht war. Ich weiß nur, dass man nach jeder Rast üblicherweise wieder sehr schwer loskommt. Und es war wohl zusätzlich nicht geschickt, genau vor einem Berg zu rasten. Wir schleppten uns also langsam den Berg hoch. Fast auf dem Gipfel saß dann Alex, die freundlicherweise auf uns wartete. Es war schon spät und wir hatten nicht viel Zeit. Alex wollte durchaus noch bis Santo Domingo de la Calzada. Ich hatte das Gefühl, das ich das wohl nicht schaffen würde.

Cirinuela - den Antieg fast geschafft

Sieht gar nicht so steil aus (man sieht vom Berg runter), oder? 

Eigentlich schon den Berg hoch, aber spätestens ab da schleppte ich mich mehr schlecht als recht auf meinen Wanderstöcken durch die Gegend. Jeder Schritt schmerzte, ich hatte das Gefühl, dass ich Blasen an Stellen hatte, wo ich noch nie Blasen bekommen habe. Ich konzentrierte mich darauf, dass ich die Schmerzen, die bei jeden Schritt zu erwarten waren überstehe. Ein ungeschickt liegender Stein stach wie eine lange Nadel in die Ferse. Dummerweise war der ganze Weg steinig und wir waren dank meiner Füsse nicht besonders schnell. Wir erreichten den nächsten Ort, der leider keine Herberge hatte. Das wusste ich zwar seit Najera, aber zu diesem Zeitpunkt hätte ich mich auch einfach irgendwo hingelegt. Glücklicherweise wurde dann eine Asphaltstraße draus. Es lief sich viel besser, aber meine Füsse waren so angeschlagen, dass man wohl kaum von gut reden konnte.

Interessanterweise lasen wir ein Schild, auf dem Stand, dass in dem nächsten kleinen Ort eine Herberge aufgemacht hatte. Wir haben zwar nicht angenommen, dass die auch zu dieser Jahreszeit offen hat (im Sommer ist viel mehr los), aber die Hoffnung, die zumindest ich in diese Aussicht legte, bewog uns, diesen kleinen Umweg zu nehmen, denn der Ort lag eigentlich nicht auf der Route.

Wie sich herausstellte, war  die Herberge tatsächlich offen. Wir wurden herzlichst empfangen. Die Herberge war eine Herberge auf Privatinitiative. Die nette Frau, die uns empfangen hat und (zumindest für mich ein glücklicher Umstand) deutsch sprach, hat uns so umsorgt, das sich in dieser kurzen Zeit sofort ein Gefühl von "zu Hause" einstellte.

Cirinuela - Der Notarzt ist da!

Hier werde ich geheilt 

Es gab ein hervorragendes Abendbrot mit frischen Feigen, die an einem Baum gleich in der Nähe geerntet wurden. Es gab eine Dusche, die sich wie alles andere auch, mitten in dem Wohnraum befand. Das war irgendwie spannend, wenn man sich mit allen anderen unterhalten konnte (und auch musste (man wurde immer irgendwas gefragt)), während man versuchte, nicht in der Dusche umzufallen.

Außerdem wurde ich gleich verarztet. Und dabei wurde dann offenbar, womit ich den halben Tag gekämpft hatte. Es waren sehr große Blasen an der Ferse. Ich gehe jetzt mal nicht auf Details ein, aber es war sehr sehr schmerzhaft und ich hatte die Blasen noch bis zum Ende der Reise. Die letzen Spuren waren noch nach Monaten zu sehen. Ich bekam eine Fußmassage, ich bekam einen Verband (an jedem Fuß) und ich bekam gebrauchte Sandalen, weil ich so wie es aussah in meinen Wanderstiefeln nicht mehr laufen konnte. Ab hier waren die Blasen und die Schmerzen und die verschiedensten Behandlungen selbiger ein Teil der Pilgerwanderung und wichen mit nicht mehr von der Seite.

Für diesen Abend aber bin ich sehr dankbar. Ich glaube nicht, dass ich es noch bis in den nächsten Ort geschafft hätte. Außerdem war das so einen nette Herberge, dass ich (wenn sich die Gelegenheit ergibt) sicherlich noch einmal vorbei schauen werde, nur um Hallo und Danke zu sagen.

Der Abend endete dann auch in einem wohl verdienten Bett. Ich muss geschlafen haben wie ein Stein.

Was habe ich auf dieser Etappe gelernt? Ich habe gelernt, dass der Wille schon groß sein kann und dass man Schmerzen überwinden kann. Dass man manchmal vielleicht aufgeben sollte. Und das man sich nicht immer auf alles vorbereiten kann. Lebe den Tag bedeutet zwar auch ein Stück weit die Augen vor den Dingen zu verschließen, die da ganz sicher auf einen zukommen. Aber ich habe es schließlich überlebt. Dann kann das so falsch ja garnicht sein.

Vor allem sollte man manchmal auch auf die eigenen Erfahrungen vertrauen, auch wenn man z.B. noch nie gepilgert ist, weiß man irgendwie, welche Socken geeignet sein könnten ohne das man auf irgendwelche Ratgeber vertraut.


Empfehlungen: handy taschen | Good Job - Bad Job